08.06.2024, Lokalredaktion
„Was oben hereinsickert, kann eines Tages unten ankommen“
Im Nordwesten. Damit weiter sauberes Trinkwasser zur Verfügung steht, ist der künftige Umgang mit chemischen Pflanzenschutzmitteln von besonderer Bedeutung. Das Land Niedersachsen hat sich zum Ziel gesetzt, ihre Verwendung bis 2030 um 25 Prozent einzuschränken. „Dieser Schritt kann nur der Anfang sein“, unterstrich Karsten Specht, Geschäftsführer des Oldenburgisch-Ostfriesischen Wasserverbands (OOWV), beim jährlichen Wasserschutztag auf dem Biohof Bakenhus in Großenkneten. Mehr als 100 Vertreterinnen und Vertreter aus Reihen der Politik, Verwaltung, Landwirtschaft und Fachbehörden nahmen daran teil. Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) strebt sogar eine Reduktion um fünfzig Prozent im selben Zeitraum an.
Die Gleichung sei einfach, verdeutlichte Karsten Specht: „Was oben hereinsickert, kann eines Tages, manchmal Jahre später, unten ankommen. Der Boden ist auf diesem Weg zwar ein exzellenter und bemerkenswerter Filter, kann aber nicht alle Frachten aufhalten, die wir ihm zumuten.“ Deshalb sei die Reduktionsstrategie des Landes eine gute Nachricht. „Sie wird noch besser dadurch, dass sich Landvolk, Landwirtschaftskammer, Bund für Umwelt und Naturschutz und der Naturschutzbund in Niedersachsen gemeinsam auf dieses Ziel verständigt haben“, betonte er.
Der OOWV stehe bei der Umsetzung beratend und unterstützend zur Seite. Eine konkrete Maßnahme hat er dabei fest im Blick: „Es dürfen nur noch Pflanzenschutzmittel zugelassen werden, die durch ihre Verwendung nicht im Widerspruch zur Trinkwasserverordnung sind.“ Grundsätzlich sollten alle Wirkstoffe, die mit ihren Abbauprodukten im Grundwasser in problematischen Konzentrationen gemessen werden, in Wasserschutzgebieten verboten werden. „Das ist das, was wir für einen intakten Wasserkreislauf zu tun haben“, sagte Karsten Specht.
Unbedingt erforderlich sei die Offenlegung, welche Wirkstoffe in welchen Mengen, insbesondere in Wasserschutzgebieten, ausgebracht werden. „Dann könnten wir unser Monitoring entsprechend anpassen“, argumentierte Karsten Specht. Bei allen Fragen und Aspekten des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln, insbesondere in der Landwirtschaft, müsse der Wasserversorger sich einbringen können. Konkret bedeute das: „Sobald wir eine flächenhafte Belastung oder bereits eine Tendenz dorthin erkennen, muss die Erlaubnis zum Einsatz eines solchen Pflanzenschutzmittels im Wasserschutzgebiet umgehend von der Zulassungsbehörde zurückgenommen werden.“ Wenn direkt gehandelt werde, sei das ein wertvoller Zeitgewinn für den Grundwasserschutz. „Jedes Jahr früher ist ein gewonnenes Jahr“, verdeutlichte der Geschäftsführer.
Wasserschutz und Pflanzenschutz müssen sich nach seinen Worten nicht ausschließen. „Kooperationen zwischen Wasserversorgern und Landwirtinnen und Landwirten erzielen nachweislich gute Ergebnisse für alle Seiten“, unterstrich Karsten Specht und forderte mehr finanzielle Unterstützung durch das Land Niedersachsen für Teilnehmende, die sich für den Wasserschutz engagieren.
Beispielhaft erwähnte er außerdem das Projekt „Hacke und Striegel“, das der OOWV Interessierten anbietet, um chemische Unkrautbekämpfung durch eine mechanische zu ersetzen. Im vergangenen Jahr wurden auf diese Weise im Verbandsgebiet landwirtschaftliche Flächen in einer Größenordnung von rund 1500 Hektar bearbeitet – und damit 500 Hektar mehr als 2022. Erwähnenswert sei ebenfalls das OOWV-Programm zum Ökolandbau, bei dem die Ausdehnung der ökologisch bewirtschafteten Flächen in den Wasserschutzgebieten des OOWV im Mittelpunkt steht. Karsten Specht plädierte gleichzeitig für realistische Lösungsansätze. „Eine flächendeckende mechanische Unkrautregulierung wird sich allein aus wirtschaftlicher Sicht nicht von heute auf morgen realisieren lassen“, sagte er.
Welche Strategien im Hinblick auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln möglich sind und welche Wege es gibt, ihre Verwendung einzuschränken, stand im Mittelpunkt des diesjährigen Wasserschutztags mit vier Fachvorträgen und einer Podiumsdiskussion, durch die Fachautorin Dr. Tanja Busse als Moderatorin führte. Neben Karsten Specht nahmen daran Henrich Meyer zu Vilsendorf (Referatsleiter beim Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz), Dr. Mark Winter vom Industrieverband Agrar in Frankfurt, Andreas Roskam vom Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) in Aurich, Dr. Christina Aue (OOWV-Projektleiterin Ökolandbau) und Keno Arends von der Bezirksstelle Aurich der Landwirtschaftskammer Niedersachsen teil.
Eine Ausstellung zur Technik im integrierten Pflanzenbau und deren Chancen und Grenzen rundete die Veranstaltung ab. (pm/lr)
Foto: Heiko Poppen/OOWV – Einblick in die Praxis: In der Ausstellung zur Technik im integrierten Pflanzenbau gab es auch ein Beispiel für die Hacktechnik bei der mechanischen Unkrautregulierung.