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02.09.2024, Lokalredaktion
Zhiar Amini ist heute 18 Jahre alt und floh 2016 als Achtjähriger mit seinem Vater und seiner Mutter aus dem Iran nach Europa. Der ursprüngliche Gedanke war, nach Schweden zu gehen, da dort viele Familienmitglieder leben. Nach sechs Monaten musste die Familie jedoch Schweden wieder verlassen und kam dann nach Deutschland. Nach der ersten Station Berlin ging es weiter, direkt nach Brake.
„Das Gute war, dass wir hier gleich eine Wohnung bekommen haben“, erinnert sich Zhiar. Seine Eltern konnten dann auch relativ schnell einen Deutschkurs im Integrationszentrum, im ehemaligen Braker Krankenhaus, in der Kirchenstraße, besuchen.
Zhiar kam in die Grundschule Harrien. „Das war damals sehr schwierig für mich, denn ich verstand zu diesem Zeitpunkt kein Wort Deutsch.“ Hin und wieder besuchte er, nach der Schule, seine Eltern in deren Deutschunterricht, in dem sein Vater hin und wieder Musik machte.
Das musikalische Talent hat Zhiar von seinem Vater, der auch privat viele kurdische und persische Instrumente gespielt hat. Schon in seiner Heimat, im Iran, hat Zhiar hin und wieder mit seinem Vater musiziert, vor allem auf der Geige. „Papa wollte, dass ich ein internationales Instrument spiele und ich habe dann Unterricht bekommen“, erinnert er sich, „Geige zu spielen hat mir Spaß gemacht und ich bin dabei geblieben. Zunächst habe ich kurdische, folkloristische Stücke gespielt – nicht nach Noten, sondern nur nach Gehör.“
„Hier in Brake bin ich dann mit etwa 10 Jahren zur Musikschule Wesermarsch gekommen. Ich habe gleich ein Stipendium erhalten, weil man damals schon für besonders begabt hielt.“
Zhiar besuchte den Einzelunterricht bei Musiklehrer Joachim Brockes, der das Talent des Jungen gleich erkannt hatte. Allerdings musste er sich jetzt erst einmal mit der klassischen Musik befassen und Erfahrungen sammeln. Erst Jahre später entwickelte sich seine Liebe zur klassischen Musik. Seine Eltern haben ihn stets gedrängt, viel zu üben. „Irgendwann gewöhnte ich mich daran, viel zu üben und mache es auch heute noch“, sagt Zhiar, „Ohne Musik kann ich nicht leben und wenn ich nicht übe, dann höre ich viel klassische Musik, Jazz, aber auch mal HipHop oder Pop, vor allem beim Sport.“
Inzwischen geht der 18-Jährige auf das Braker Gymnasium und kommt nach den Sommerferien in den 12. Jahrgang. Auch wenn er sich jetzt auf das Abitur konzentrieren muss, wird die Musik in seinem Leben immer noch die größte Rolle spielen. Ein Blick zurück: Im Herbst 2019, mit 13 Jahren, wurde er vom Leiter der Musikschule Wesermarsch, Thomas Schröder, beim Jugendsymphonieorchester Bremen angemeldet. Es folgten eine Probe, er wurde angenommen und spielt die zweite Geige. Nach einem weiteren Vorspiel wurde er sogar direkt als erste Geige angenommen. „Das war ein Riesensprung für mich“, sagt Zhiar, „Dazu war ich auch noch einer der Jüngsten im Orchester.“
Nach Corona war er bei der ersten Deutschland-Tour des Jugendorchesters Bremen dabei. „Wir hatten sechs Auftritte und das hat unheimlich großen Spaß gemacht. Ich habe viele Leute kennengelernt und es war eine tolle Erfahrung“, meint Zhiar, „Das Orchester ist viel mehr als Musik. Verbindungen aus dieser Zeit bestehen heute noch.“ In seiner Freizeit trifft er sich hin und wieder dem den ehemaligen Musikerkollegen und sie machen gemeinsam Musik.
2022 folgte die nächste Orchesterreise – eine Balkantour, die mit Auftritten in Serbien, Montenegro, Bosnien und Tschechien verbunden war. Fast zwei Wochen ging die Tour und sie war für den jungen Musiker viel anstrengender, bedingt durch die Hitze und noch mehr Konzerten als in 2021. „Aber auch Das wieder war super.“ Ein Jahr später 2023, ging für Zhiar richtig die Post ab. Das Orchester hatte eine Kooperation mit dem Jugendsymphonie Orchester Winterthur, in der Schweiz. Die Tour begann erst mit ein paar Konzerten in Süddeutschland, dann ging es in die Schweiz und es folgte gemeinsam Konzerte mit dem Jugendsinfonieorchester Winterthur. Von dort ging aus weiter nach Südfrankreich und es gab, trotz der Hektik immer noch Zeit, um auch Städte anzuschauen. Auch diese Tour dauerte wieder fast zwei Wochen. Danach folgte das Konzert ‚Musik und Licht am Hollersee‘ in Bremen. Dieses findet einmal jährlich, nach der Konzerttour statt. „Hier spielten wir Filmmusiken und nicht nur klassische Musik.“
In jedem Jahr wählt das Jugendsymphonieorchester einen Solisten aus, der in dem ganzen Jahr als Solist spielen darf und in diesem Jahr wurde es Zhiar. „Das war eine sehr aufregende Zeit. Wir haben noch ein paar Monate bis Ende Januar geprobt – immer in Bremen – und dann kam das erste Konzert in der Waldorfschule in Bremen, in der Touler Straße, in Schwachhausen.“ Bei seinem erstens Konzert als Solist war Zhiar sehr aufgeregt, denn das Orchester spielte vor rund 300 Besuchern. Alle waren jedoch gut vorbereitet. „Ich fühlte mich von dem Orchester gut aufgehoben, sie alle haben mich getragen, auch der Dirigent Martin Lentz“, sagt Zhiar. Vor dem ersten Ton war er schon sehr aufgeregt.
Bei dem zweiten Konzert dann, mit den Bremer Philharmonikern, einem Violinen Konzert im Theater Bremen, im Februar, mit Profimusikern zu spielen, war dann schon etwas anders für den jungen Musiker. Es gab nur eine Probe vor dem Konzert. „Es war für mich etwas ganz Besonderes, denn ich war noch sehr jung und mit 17 Jahren als Solist mit einem solchen Profiorchester zu spielen, ist wirklich nicht alltäglich.“
Mit dem Jugendsinfonieorchester ging es weiter zu einem Konzert im Mai, im Bremer Dom, wieder mit Zhiar als Solisten. Bei dem Projekt „Lange Nacht der Musik“ spielte er als Solist ein 40-minütiges Violinkonzert. „Beeindruckend fand ich, dass sogar Leute dort waren, die nur für uns gekommen sind und nach unserem Auftritt wieder gingen.“ Es folgte der große Auftritt am 20. Juli in der Bremer Glocke, mit einer tollen Akustik in einem der weltbesten Säle. Wieder war Zhiar hier der Solist des Jugendorchesters. „Für mich war das ein Highlight, weil dort schon die Besten musiziert haben und nun war ich auch dort.“
Zwei Tage später begann die nächste Konzertreise mit dem Jugendsymphonieorchester. „Eineinhalb Wochen, Konzerte in Slowenien, der Slowakei und Tschechien. Diese Reise war neben der tollen Erfahrung aber auch sehr anstrengend für Zhiar. Bei jedprobem Konzert gab es eine neue Akustik, Doch auch emotional war es eine Erfahrung, denn nach dieser letzten Konzertreise trennten sich auch viele Musiker vom Orchester.
„Natürlich liegt mein Fokus jetzt erst einmal auf dem Abitur, denn mein Wunsch ist es, entweder Jura oder Medizin zu studieren – vielleicht in Münster, Heidelberg oder Berlin, aber vielleicht will ich auch einmal Musik studieren, da bin ich mir noch nicht ganz sicher.“ Zhiar ist jedenfalls froh und glücklich darüber, dass seine Eltern und die Musikschule Wesermarsch ihn stets unterstützt und gefordert haben. Das Orchester hat ihm viel Selbstsicherheit, Selbstbewusstsein und auch Kraft gegeben. Derzeit überlegt er, ob er neben der Schule noch ein junges Studium macht. Dafür müsste einmal in der Woche zur Universität, nach Bremen.
In Brake stehen noch einige Konzerte an, unter anderem in der Stadtkirche und in Nordenham.
Ferner möchte Zhiar auch noch sein Klavierspiel weiter verbessern, denn dies ist auch Grundlage für ein eventuelles Musikstudium.
Auch wenn Brake inzwischen sein Zuhause geworden ist, zieht es den jungen Mann doch auch immer wieder hinaus in die Welt, um neue Erfahrungen zu machen, die Leute zu treffen, mit denen er auf Konzertreisen war und immer wieder Neues kennenzulernen. „Die Musik wird mich dabei immer begleiten und ein wesentlicher Teil meines Lebens sein.“ Text: Kerstin Seeland