19.06.2024, Lokalredaktion
Wie können mehr Menschen mit Behinderungen im regulären Arbeitsmarkt unterkommen? Und: Drücken sich die Unternehmen vor ihrer Verantwortung? Diese Fragen prägten die jüngste Sitzung des Kreisbehindertenbeirates Wesermarsch (KBR) im Braker Kreishaus.
Zu ihr hatte der KBR-Vorsitzende Albert Mumme den Geschäftsführer des Jobcenters Wesermarsch, Eike Bohlmann, und Jens Schmidt von der Oldenburgischen Industrie- und Handelskammer (IHK) eingeladen; Schmidt ist bei der IHK für die Ausbildungsberatung zu den Metall-, Bau- , Kunststoff- und Chemieberufen zuständig. Jürgen Meyer vertrat die Wirtschaftsförderung der Stadt Nordenham.
„Unser Herz schlägt auch für die Benachteiligten“
Dass die Wirtschaft bei der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen bereits vielfältig unterstützt wird, machten sowohl Eike Bohlmann als auch Jens Schmidt deutlich. Bohlmann nannte unter anderem Fördermaßnahmen wie Lohnkostenzuschüsse und Hilfen bei der individuellen Gestaltung des Arbeitsplatzes. Außerdem würden Firmen auf der Suche nach Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausdrücklich auf die Möglichkeit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen angesprochen. „An unseren beiden Standorten in Brake und Nordenham sind spezielle Ansprechpartner tätig“, fügte der Jobcenter-Chef hinzu.
Jens Schmidt formulierte: „Unser Herz schlägt auch für die Benachteiligten.“ In der Ausbildung und zur Vorbereitung auf Prüfungen könne der so genannte Nachteilsausgleich genutzt werden, erläuterte der Fachmann.
„Wir können die Unternehmen nicht zwingen“
Auf Menschen mit Beeinträchtigungen und einer praktischen Begabung zielten ebenfalls die zweijährigen Ausbildungen, die anstelle der üblichen dreijährigen oder dreieinhalbjährigen Lehre absolviert werden könnten. Diese Ausbildungen würden inzwischen vermehrt nachgefragt, stellte Schmidt fest. Trotzdem lasse die Nachfrage nach einer Ausbildung im gewerblich-technischen Bereich nach wie vor zu wünschen übrig. Der IHK-Mitarbeiter versicherte: „Wir sind stets bestrebt, die Unternehmen zu überzeugen. Denn zwingen können wir sie nicht.“
Jürgen Meyer von der Nordenhamer Wirtschaftsförderung beobachtet nach eigener Darstellung ein wachsendes Interesse auf Unternehmer-Seite an der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen. Das führt er in erster Linie auf den sich zuspitzenden Fachkräfte-Mangel zurück. Dieses Interesse könnte durch mehr positive Beispiele aus der Praxis zusätzlich geweckt werden, meinte Meyer.
KBR bleibt beim Thema am Ball
Der Praktiker warb zugleich um mehr Verständnis für Unternehmer, in deren Tagesgeschäft die Informationen über die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen leicht untergehen könnten.
Nach einer angeregten Diskussion schloss Albert Mumme die Sitzung mit der Ankündigung, das Gremium werde sich weiter intensiv mit dem Thema befassen. Nach Auffassung des KBR-Vorsitzenden sollten in der Wesermarsch insbesondere das Gastgewerbe und die Touristikwirtschaft noch wesentlich stärker auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Behinderungen zurück greifen. An Jobcenter und IHK richtete er den Appell, dass sie die zahlreichen Unterstützungsangebote besser bewerben müssten. (pm/lr)
Foto: Thomas Klaus – von links nach rechts: Jürgen Meyer, Albert Mumme, Eike Bohlmann, Jens Schmidt.