29.09.2024, Lokalredaktion
Refugium Wesermarsch – Verein für interkulturelle Arbeit feierte am Freitag, dem ‚Tag des Flüchtlings‘ sein 40-jähriges Bestehen in der Markthalle Rodenkirchen. Neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zahlreichen Ehrenamtlichen gehörten auch Politiker und Vertreter aus den Kommunen der Wesermarsch zu den Gratulanten.
„Was einst aus einem Impuls heraus in einem Wohnzimmer entstanden ist, ist heute die relevante Arbeit und steht für zivilgesetzliche Angebot“, sagte Doris Ammermann, Vereinsleitung und Projektkoordinatorin. „Refugium ist, wenn es trotzdem klappt.“
„Wer in ein fremdes Land aufbricht, lässt nicht nur seine Heimat hinter sich, er begegnet auch Herausforderungen, die oft vielen und wahrscheinlich den meisten Menschen verborgen bleiben. Neue Menschen, andere Kulturen und ungewohnte Lebensweisen können genauso bereichern, wie verunsichern“, unterstrich Landrat Stephan Siefken, „Insbesondere in dieser Situation brauchen Menschen Halt, Orientierung und Unterstützung – eben all das leistet das Refugium. Seit 40 Jahren steht das Refugium als ein Leuchtturm für Solidarität und für Menschlichkeit, gegründet auf den unterschiedlichen Fundament des Engagements.“
Auch MdL Björn Thümler (CDU) fand lobende Worte. „Dass, was Sie hier in den vergangenen 40 Jahren geleistet haben, sucht seinesgleichen.“ Er dankte vor allem Sivalingham Sireetharan, der seit 30 Jahren beim Refugium als Migrationsberater aktiv ist und 2014 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, sei die „Seele des Refugiums“. Thümler erinnerte an die Zeit, als Menschen aus Italien und der Türkei als „Gastarbeiter“ angeworben wurden, nur um sie an Maschinen zu stellen und arbeiten zu lassen. Ohne Sprachkenntnisse und Hilfe zur Integration. „Geld, das in Integration investiert wird, ist gut angelegtes Geld“, unterstrich Thümler. Ferner dürften Migranten ohne Aufenthaltsstatus, die schon seit mehreren Jahren in Deutschland, nicht mehr in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden. Auch MdL Karin Logemann (SPD) dankte für den wunderbaren Einsatz der haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitern, für ihre Nächstenliebe, mit der sie die Menschen an die Hand nehmen, ihnen nicht nur beim Ankommen, sondern auch weiterhin zur Seite stehen. „Ihr sorgt auch mit euren jährlichen Sommerfesten dafür, dass die Menschen zusammenkommen und Freude haben. Eike Bohlmann, Geschäftsführer des Jobcenters Wesermarsch lobte die gute Zusammenarbeit über die Jahre hinweg. Vor allem auch, dass das Refugium bei der Vermittlung von Arbeit stets Sprachmittler zur Seite stellte. Über die Grenzen der Wesermarsch hinaus, bis nach Berlin ins Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wird die Arbeit des Refugiums wahrgenommen.
Babs Jung, einer der Gründerinnen des Refugiums, erinnerte an die Anfangszeit, in der ein Arbeitskreis Flüchtlinge gegründet wurde. Sie hat Ulla Frost kennengelernt, die damals auch schon Lehrerin war. Die beiden Frauen waren sich schnell einig, dass Sprache wichtig für die Flüchtlinge sei und boten zunächst Kindern Unterstützung an. Schnell kamen auch die Erwachsenen, die Hilfe bei Behördenschreiben benötigten. Schwangere Frauen wurden zum Arzt und ins Krankenhaus begleitet und vieles mehr. 1984 wurde dann der Arbeitskreis Asyl gebildet. „Der Kontakt zu den Menschen aus fernen Ländern hat mein Leben sehr bereichert und ich habe viele Gespräche über Kultur und Religion geführt und das hat mein Leben wirklich interessant gemacht. Dafür bin ich sehr dankbar.“
„Als ich 1981 hierher zog, war ich sehr überrascht, dass es Menschen, die einem Land leben, untersagt war, dessen Sprache zu lernen“, erinnert sich Ulla Frost. Man hat ihr gesagt, dass es keine Sprachkurse geben würde und wenn sie das kostenfrei machen wolle, dann könne sie das ruhig. Einer ihrer ersten Schüler war ein „schicker, junger Mann“, 21 Jahre, aus Sri Lanka – Sivalingam Sireetharan, genannt „Sri“. Schnell wuchs die „Klasse“ auf 48 junge Männer an. „Das war ein hartes Stück Arbeit in der Anfangszeit“, sagt Ulla Frost. In dem Sprachkurs wurde jedoch nicht nur Grammatik und Vokabeln gelehrt, sondern alles, was den Alltag in dem neuen Land betraf. Zudem leisteten Babs Jung und Ulla Frost weit mehr als nur Sprachkurse. So halfen sie auch beim Einrichten von Wohnungen und vielem mehr.
Sivalingam Sireetharan berichtete, dass das Refugium durch Karl-Heinz Benecke, ehemaliger Geschäftsführer der Braker Wohnbau, ab Mai 1990 Räumlichkeiten in der Butjadinger Straße 2a zur Verfügung gestellt wurden. Im Laufe der Jahre erhielt das Refugium finanzielle Unterstützung durch die Stadt Brake, den Landkreis Wesermarsch, den Bund und das Land Niedersachsen. Es wurden Sozialarbeiter- und ABM-Stellen gefördert. Zwischenzeitlich gab es das Gebrauchtmöbellager am neuen Standort, in der Grünen Straße 5. Hier finden bis heute regelmäßig Beratungen statt, aber auch diverse Sprachkurse und vieles mehr. „Wir sind heute ein mittelständiges Unternehmen mit 30 Mitarbeitern aus 15 Ländern und mit 14 Sprachen“, betonte Sivalingam Sireetharan.
Zum Abschluss hielt Theo Lampe, Migrationsreferent Diakonie i.R. einen Impulsvortrag, den er mit zahlreichen Karikaturen aus verschiedenen Jahrzehnten unterstrich.
Nach einem internationalen Büffet folgte der gemütliche Teil mit Tanz und DJane. Musikalisch umrahmt wurden die Feierlichkeiten durch die Sängerin Jhennie Manske und Liz’n Brass von der Musikschule Wesermarsch. Fotos und Text: Kerstin Seeland
Titelbild: Babs Jung, Ulla Frost, Sivalingam Sireetharan, dahinter Doris Ammermann